24. Juni 2013

Juni in den nördlichen Kalkalpen

Den heißesten Tag der vergangenen Hitzewelle konnte ich nutzen, um etwas zu tun, was mir bisher noch nie gelungen war: Alpine Pflanzengesellschaften zu besuchen, die nur jetzt, in der kurzen Zeit zwischen Schnee und der trockenen Sommerhitze blühen. Meistens bin ich in den letzten Jahren erst im Juli und damit zu spät gekommen, aber heuer hat es endlich gepasst.

Silene acaulis vor dem Warscheneck (kahler Berg in der Bildmitte, 2388m)

Die Wanderung führte uns in den südöstlichen Teil der Warscheneckgruppe, einer im Süden Oberösterreichs gelegenen Kalkalpenkette, deren Besonderheit die deutlich sichtbare horizontale Bänderung der Kalkstöcke ist. Hier kann man ahnen, dass dieses herrliche Gebirge einst der Bodensatz eines tiefen Meeres war.

Globularia nudicaulis / Anemone narcissiflora

Der Untergrund ist Kalk und aufgrund der Schichtung wechseln sich humusreiche und trockene Abschnitte innerhalb weniger Meter ab, dazu kommen unterschiedliche Nährstoffangebote je nach Dicke der Humusauflage und natürlich auch unterschiedliche Feuchtigkeitsbereiche: Je näher an Senken, in denen länger Schnee liegt, desto feuchter; je näher an steilen, sonnigen und schottrigen Abgründen, desto trockener. Diese Kombination macht diese Flächen abwechslungsreich und botanisch sehr interessant.

Anemone narcissiflora / Silene acaulis mit beschneiter Priel-Gruppe im Hintergrund

Dazu kommen beeindruckende Ausblicke auf die umliegende Bergwelt. Narzissenblütige Anemonen wachsen hier vor Ramesch und Totem Mann, das Stängellose Leimkraut breitet seine Polster direkt vor Großem und Kleinem Priel aus, ersterer ist mit 2515m der der höchste Berg Oberösterreichs.

Campanula alpina / Helianthemum alpestre

Wer genau schaut, kommt auf den Trockenwiesen nur sehr langsam voran. Bis vor zwei Wochen lag an diesen Stellen noch Schnee, zahlreiche Schneefelder zeugen davon. Wo die Sonne schon länger ihre Kraft zeigen konnte, blühen nun alle Pflanzen, die den kurzem Alpensommer nutzen müssen. Ebenso zielstrebig nutzen die Bestäuber diese seltenen warmen Tage: Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und viele andere Insekten sind in großer Anzahl unterwegs.

Im Hintergrund die typische Kalkbänderung der Warscheneckgruppe

Weite Teile des Wegs - es ist ein Teil des Aufstiegs zum Warscheneck, den wir diesmal aber nicht absolvierten - führen entlang der Kalkbänderung dem Hang entlang. Was von Weitem sehr leer und karg aussieht, blüht von Nahem an allen Ecken und Enden (man beachte den Enzian in der rechten unteren Ecke des Bildes) - man muss die Pflanzen nicht einmal suchen.

Primula clusiana blüht, eben freigeapert, in Massen

Ganz nahe am Schnee, inmitten von niedergedrücktem Gras blüht an manchen Stellen die Clusius-Primel in großer Anzahl. Ihre Blütenfarbe variiert; es ist sehr spannend, diese winzigen Pflanzen zu vergleichen.

Wundklee (Anthyllis vulneraria) an sonnig-heißen Stellen des Trockenrasens

Der Wundklee wurde früher als Heilpflanze gegen Geschwüre genutzt, wurde aber auch als Schutz gegen Verzauberung eingesetzt. Er blüht an vielen Stellen zusammen mit Frühlingsenzian.

Pedicularis rostratocapitata / Primula auricula / Soldanella alpina

Das Kopfige Läusekraut gehört wie alle Vertreter seiner Gattung zu den Sommerwurzgewächsen und ist ein Halbschmarotzer, der an bestimmte Gräserarten gebunden ist. Wie alle gezeigten Pflanzen benötigt es Kalk. Klassische Pflanzen der heimischen Alpenzüge sind auch die Alpen-Aurikel, hier oft "Petergstam" genannt und die Alpen-Troddelblume, die mit ihrer zarter Erscheinung darüber hinwegtäuscht, dass sie oft als allererstes nach dem Winter aus dem trockenem Gras auftaucht.

Pinguicula alpina / Rhodothamnus chamaecistus

Das Alpen-Fettkraut, ebenfalls eine zarte Erscheinung, ist an so karge Lebensräume angepasst, dass es seine Kost mit Eiweiß aus Insekten aufbessern muss; dazu hat es klebrige Blätter, die es bei Fangerfolg aufrollen kann. Weniger wild geht es die Zwerg-Alpenrose an. Sie wächst in niedrigen Teppichen entlang von Felsen und schmiegt sich in karge Festspalten. Seine Blüten sind im Vergleich zur restlichen Pflanze überdurchschnittlich groß, eine Besonderheit, die bei vielen Alpenpflanze auftritt. Sie blühen dafür nur sehr kurz und haben nur wenige Blüten, die dann aber auch wirklich auffallen müssen.

Thlaspi montanum  / Gentiana verna

Mir bisher unbekannt war die Gattung der Hellerkräuter. Ich hoffe, ich habe die abgebildete Pflanze mit Thlaspi montanum richtig bestimmt. Diese kleine Pflanze duftet süß, ist aber auch sehr klein, sodass dies wohl kaum jemandem auffallen würde. Deutlicher fällt da der Frühlingsenzian ins Auge. Seine leuchtendes Blau und sein bisweilen massenhaftes Vorkommen machen ihn zu ein bekannten Alpenpflanze.

Anemone alpina / Gentiana clusii / Anemone alpina, im Hintergrund die Rote Wand (1872m)

Bekannt ist auch die weiße Alpenanemone, eine wunderschöne Staude mit zartfiedrigem Laub, die schon oft das Begehren von Gärtnerinnen und Gärtnern geweckt hat. Leider beliebt sie nur in Höhen deutlich über 1000m zu wachsen; darunter scheint es Probleme mit Blütenbildung und generell mit der Bestockung zu geben. Am Naturstandort wächst sie in feuchteren und nährstoffreicheren Arealen, oft unter Schneekaren und an auch im Spätfrühling gut mit Wasser versorgten Stellen. Der Stängellose Enzian mag es trockener, was man auch am Umgebungsbewuchs erkennen kann.

Hervorragend getarnt: Schneehuhn im Sommerkleid

Wer öfter wandern geht, wird immer das eine oder andere Tier treffen. Eine Premiere war für mich das Treffen mit einem Schneehuhn, das mit seiner fleckigen Farbe fast vollständig mit der Umgebung verschmilzt. Auf diese Tarnung vertraut es auch und flüchtet nur langsam oder überhaupt nicht.

Globularia nudicaule / Bartsia alpina / Anthyllis vulneraria  /////  Dryas octopetala vor einem Polster Silene acaulis

Neben den Pflanzen selbst sind es vor allem die Kombinationen, die mich am Fotografieren von Naturstandorten reizen. Je nach Standort vergesellschaften sich andere Pflanzen, oft bilden sie harmonische Gruppen, wie die Kugelblume mit dem Alpenhelm und dem Wundklee, oft dominieren bestimmte Farben. Der Silberwurz ist in den Kalkalpen eine häufige Pflanze, aber seine Blütezeit beginnt gerade erst, daher sind die oft bis zu einem Quadratmeter oder noch größeren Pflanzen im Moment noch etwas unscheinbar und das leuchtende Leimkraut überwiegt.

Manche Stellen bieten gute Bedingungen und sind daher stark besiedelt

Hier wachsen direkt neben dem Weg Wundklee, Stängelloser Enzian, Stängelloses Leimkraut, Alpen-Fettkraut und Aurikel wie gepflanzt nebeneinander, nicht weit entfernt befindet sich eine Gruppe von Allermannsharnisch (Allium victorialis), der aber erst zu blühen beginnen wird. Auch Katzenpfötchen (Antennaria alpina) gehören zu dieser Art von Lebensraum. An feuchteren Rändern kommen an dieser Stelle sogar Trollblumen vor, aufgrund der Höhe und den widrigen Bedingungen werden sie aber nur wenige Zentimeter hoch.

Schneereste auf über 2000m / etwas tiefer ahnt man davon nichts

Hier sieht man noch einmal die starken Gegensätze, die innerhalb weniger 100 Meter herrschen: Einerseits weite Schneefelder (hier mit dem Sengsengebirge und dem Hohen Nock im Hintergrund), andererseits karge Geröllfelder, die heiß und steinig völlig andere Bedingungen bieten.

Teichloberlauf / Orchideenwiese
Weiter unten im Tal sieht alles ganz anders aus: Saftige Weideflächen werden von der Teichl durchflossen, deren Ränder mit Eisenhutblättrigem Hahnenfuß, Trollblumen und tausenden von Knabenkräutern gesäumt werden.

Ich bin froh, dieses Mal so früh in die Berge gekommen zu sein! Mal sehen, wie es dann im Sommer dort aussieht.

7 Kommentare:

  1. Ein toller Bericht! Viele dieser Pflanzen habe ich auf meinen Wanderungen schon selber gesehen, ohne wirklich zu wissen, wie sie heißen. Und ich bin immer wieder beeindruckt, was für Überlebenskünstler sich darunter befinden...
    Das "Suchbild mit Schneehuhn" ist toll!
    Liebe Grüße
    Trudi

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  2. Eine wundervolle Wanderung!!! Es ist schon beeindruckend, unter welchen Bedingungen manche Pflanzen gedeihen! Das Schneehuhn ist wirklich gut getarnt! Man kann es auf den ersten Blick kaum erkennen!
    Viele Grüße von
    Margit

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  3. Danke, dass du uns da mitgenommen hast! Wunderschön und wunderbar sachkundig!
    Liebe Grüße
    Elisabeth

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  4. wunderschöne Eindrücke, da wäre ich gerne mit gewesen, vielleicht komme ich da auch irgendwann mal hin, vielen Dank für die tollen Bilder.

    LG Alex

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  5. Gewohnt schöne Bilder und ein toller Bericht. Die Kalkalpen sind um diese Zeit herrlich bunt. Wenn ich nur die Zeit hätte mal da hoch zu wandern. Habs ja ned wirklich weit.

    Viele Grüße
    Volker

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  6. mit großem Genuss habe ich den Wander- und Pflanzenbericht aus den Alpen gelesen. welch einen Artenvielfalt die hoffentlich noch lange so bleibt,
    und das Schneehuhn musste ich erst suchen!
    da denke ich immer an Loki Schmidt Ansehen ja , Abpflücken niemals
    und so schön wirken die Pflanzen ja nur in dieser grandiosen Landschaft!
    Schade dass ich mit meinem Knie nicht mehr wandern kann, habe es auch immer genossen.
    Grüße aus dem Nasskalten Norden 12 °
    Frauke


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  7. Ich freue mich auch schon darauf, wenn wir wieder mal Zeit für so eine Wanderung haben - heuer geht es sich leider nicht mehr aus. Die Bilder sind wunderschön.

    lg kathrin

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