29. September 2014

Und plötzlich wieder bunt...

Im September bin ich immer für einige Zeit vom Garten genervt. Die Sommerblüher sind verwelkt, umgefallen oder geschnitten und der Rest des Gartens ist weder ansprechend herbstlich verfärbt, noch blüht es üppig. Für im September wirklich schöne Beete fehlt mir die Konsequenz; ich lasse Sommerblüher meist sehr lange stehen und bei so feuchter Witterung wie heuer führt das nicht zu den erhofften weiteren Blüten sondern direkt ins umfallende, vergilbende, Pflanzen-erstickende Chaos. Es braucht dann ein wenig, bis sich die Herbstakteure so weit erholt, etabliert und in den Beeten breit gemacht haben, dass man wieder von "Beeten" und "Garten" sprechen kann.

Am Teich ist das Problem zum Glück nicht so ausgeprägt; im Gegenteil - die Gräser (Miscanthus, Molinia und ganz normales Schilf) machen ihn im Herbst zu einer der schönsten Stellen im Garten.

Die Sommerstaudenbeete sind jetzt etwas über dem Zenit. Das Beet rechts war sowieso ein Fall für die Umgestaltung, daher habe ich die sich immer mehr Richtung farblos versäenden Agastachen gerodet und ein paar neue Stauden gepflanzt (und nebenbei eine Scheibtruhe Gierschwurzeln entfernt...).

Ein Glücksgriff war heuer im Frühsommer Persicaria microcephala 'Red Dragon' - wer hätte zu hoffen gewagt, dass aus einer Pflanze aus dem 13cm-Topf solch ein farblich aufregendes Ungetüm wird? Jetzt hoffe ich gleich übermütig weiter und wünsche ihm eine gute Überwinterung, damit auch kommendes Jahr diese Ecke so überbordend purpur belegt ist.

Diese schöne Ton-in-Ton-Kombination ist ganz von selber entstanden: Phlox 'Katherine' in Nachblüte, dazu weiße Agastache foeniculum und Sämlinge von Aster laevis 'Arcturus', die ebenfalls dunkles Laub und fast schwarze Stängel, aber alle unterschiedliche Blüten tragen.

Die Oktober-Margerite ist eine selten gepflanzte und ganz offensichtlich unterschätzte Staude. Leucanthemella serotina, wie sie heißt, ist nämlich robust, bietet bis zur Blüte wunderschön zurückhaltend-grüne Stuktur im Hintergrund von Beeten und leuchtet jetzt inmitten langsamen Welkens in reinstem Weiß.

Die optisch deutlich sichtbare Lücke rechts der Leucanthemella dürfen kommenden Frühling violette Raublattastern auffüllen. Ich freue mich schon auf den herrlichen Kontrast, der sich dort entwickeln wird.

Silberkerzen sind dankbare Stauden. Sie blühen über Wochen hinweg, ihre Samenstände leuchten bis in den Frühling hinein im Gegenlicht und sie duften, dass man im gesamten Umkreis immer wieder erstaunt innehalten muss. Schön ist der Herbst :-).

5. September 2014

Boehmeria - zu Unrecht unbekannt

"Warum steht da eine Brennnessel im Schattenbeet?" - An diese Frage muss man sich gewöhnen, wenn man damit beginnt, Boehmerias zu kultivieren. Diese hübschen Gewächse ähneln ihren fiesen Verwandten tatsächlich, was aber ihre Kultur erleichtert: Sie besitzen keine Nesselhaare, wuchern nicht und sind langlebig und robust.

Boehmerias sind eine große Gattung, über 60 Arten gehören ihr an und dafür, dass sie kaum jemand kennt, haben sie eine bedeutungsvolle Geschichte: Eine der Arten, Boehmeria nivea, wird auch "Ramie" genannt und gehört zu den ältesten Faserpflanzen der Erde; in Ägypten fertigte man aus dieser Pflanze Mumienbinden, seit 3000 Jahren wird sie in China angebaut und ist aktuell die siebentwichtigste Faserpflanze der Welt. Ihre Fasern werden entweder sortenrein zu einem leinenartigen Stoff verwebt oder anderen Fasern zugesetzt; so erhöhen sie den Glanz von Baumwolle.

Boehmeria platanifolia einmal anders, zusammen mit Miscanthus, Molinia und Monarda - im Gräserbeet der Gärtnerei Sarastro

Für den Einsatz im Garten bieten sich - auch wenn die Ramie auch in Italien und Teilen Deutschlands als Kulturpflanze getestet wird - kleinere Arten an. Besonders gartenwürdig ist für mich Boehmeria platanifolia, da sie großes, weich behaartes Laub trägt, stabil aufrecht wächst und sehr dekorativ blüht.

Boehmerias sind Stauden für den Halbschatten und Schatten. Tatsächlich ist ihre Standortamplitude jedoch wesentlich größer und bei guter Wasserversorgung oder lehmigen Böden ist eine Verwendung in sonnigen Beeten durchaus möglich. Eine ungewöhnliche, sehr gelungene Kombination zeigt Christian Kreß in seiner Gärtnerei Sarastro: Zusammen mit hohen Gräsern, Monarden und Kandelaber-Ehrenpreis wächst dort eine Boehmeria in voller Sonne - mit kleinerem Laub zwar, aber großer Wirkung.

Auch im Topf klappt die Kultur / zusammen mit Gräsern

Es ist sogar eine Kultur im Topf möglich, ihr liebster Platz ist aber trotzdem der Gehölzrand oder lichter Schatten, wo die eigenartig gezipfelten Blätter, denen die Härchen einen silbernen Schimmer verleihen mit den weißen Blüten besonders hervortreten. Mögliche Partner sind Funkien, Farne oder Blattschmuckstauden wie Heuchera - aber auch kleine, zarte Schattenstauden sind möglich, da Bohmerias sehr langsam wachsen und keineswegs zum Wuchern neigen. Zudem erreichen sie ihren Höhepunkt, wenn vieles andere im Schatten schon eingezogen und verwelkt ist. Daher ist auch ihre Größe kein Problem.

Boehmeria tricuspis in den Schaubeeten der Gärtnerei Sarastro

Eine zweite Art, der man manchmal begegnet, ist Boehmeria tricuspis. Im Gegensatz zur vorhergehenden Art sind ihre Blätter glatt, glänzend und die Stängel stehen durch die rote Tönung in Kontrast zu den hellgrünen Blättern. Diese sind stark gesägt. Das Schönste an dieser Staude ist jedoch ihr überhängender Wuchs, der sich für Beetkanten anbietet, aber auch in Partnerschaft mit Funkien gut wirkt.

Hier sieht man gut den Unterschied zwischen B. platanifolia und B. tricuspis

Boehmerias überzeugen nicht durch Farbe oder schrilles Aussehen, sondern durch ihren Wuchs und die feine, leichte Stimmung, die sie mit ihren hellen Blüten in die Beete bringen. Sie in die Kategorie Sammlerpflanzen zu stecken, wäre schade, da sie robust und langlebig sind und von keinen mir bekannten Schädlingen, auch nicht von Schnecken, beachtet werden.

Die Blüten sind, wenn man sie aus der Nähe betrachtet, wunderschön: Winzige Blütchen reihen sich an langen Schnüren aneinander und leuchten im Licht. Bei ihren gemeinen Verwandten, den Brennnesseln, sind es mehrere Blüten, die sich um den Stängel herumschrauben - aber meistens guckt man da lieber nicht so genau hin.


Mitte April tauchen die Boehmerias auf, hier B. platanifolia

Boehmerias treiben verhältnismäßig spät aus. Die Art platanifolia erscheint in schönem Kupferton und aufgrund ihrer weichen Schicht aus feinen Härchen silber überhaucht. Sie wird bis zum Sommer bis zu 1,2m hoch und blüht schließlich von Mitte August bis Mitte September.

An den Boden stellen diese Gewächse keine großen Anforderungen, mit Walderde, wie sie auch andere Schattenstauden mögen, kommen sie gut klar. Einmal eingewachsen, ist auch Wurzeldruck von Gehölzen oder Partnerpflanzen kein Problem. Meine beiden Exemplare stehen nun schon seit 12 Jahren und werden langsam immer größer.


B. platanifolia / B. tricuspis / B. platanifolia

Die schon mehrfach erwähnten Härchen schimmern im Gegenlicht und sorgen am Gehölzrand im Streiflicht für Hingucker. B. tricuspis hingegen hat kleineres Laub, dafür in einer bizarren Form - das Blattende wirkt, als wäre jemand unterwegs gewesen um Scherenschnitte zu üben.


Im Sonnenlicht wirken die Blättern grüner, dafür leuchten die weißen Blütenschwänze mehr.

Herbstfärbung bei Boehmeria tricuspis


Ein kleines Extra gibt es noch im Herbst: Die meisten Boehmerias warten mit schöner Herbstfärbung auf, wie hier B. tricuspis und bleiben als Zugabe sehr stabil den Winter über stehen, sodass ihre hübschen Samenstände auch im Winter bei Frost und Schnee noch weiterleuchten.

Auch im Winter schön: Boehmeria tricuspis

Wer darauf achtet, wird diese besonderen Gewächse in der einen oder anderen Gärtnerei entdecken. Manchmal bekommt man auch weitere Arten angeboten - ich habe nun neu B.spicata (große, ausladene Pflanze mit rosa Blüten) und B. biloba (klein, gedrungen mit großen Blättern, erinnert fast an Lamium orvala) - aber es gibt etliche mehr, darunter auch abenteuerlich panaschierte Formen der Faser-Ramie, wie etwa die Sorten 'Nichirin' oder 'Kogane Mushi', die in Japan Sammler panaschierter Pflanzen den Puls in die Höhe treiben.

Wer mit den Chinesischen Nesseln beginnen möchte, dem sei Boehmeria platanifolia als Herz gelegt - bei ihr ist auch die Verwechslung mit Brennnesseln (und etwaige Rodung durch liebe Helfer oder einen selbst) am unwahrscheinlichsten ;-).