31. Januar 2013

Die Anordnung von Beeten (1)

Der Winter kriecht dahin wie eine Nacktschnecke, sprichwörtlich langsam, aber wenn man ein Weile nicht hinguckt, ist er schon ein ordentliches Stück weitergekommen. Es wird also nur mehr wenige Wochen dauern und ich werde erdverschmiert Galanthus vereinzeln und mit nassen Knien Frühblüher fotografieren. Das heißt, es ist nur mehr wenig Zeit für theoretische Gartenthemen ohne aktuellem Bezug.

Der erste Beitrag in dieser neuen, losen Serie entsteht deshalb, weil ich per Mail eine Frage zu Größe und Anordnung von Beeten geschickt bekam, deren Beantwortung für mich selbst sehr spannend war. Ich weiß nicht, wie ihr eure Gärten plant, aber unser Garten ist Stück für Stück entstanden und verändert sich auch weiterhin laufend. Die Gestaltung der einzelnen Abschnitte folgt dabei einem einfachen Prinzip: Es gibt möglichst wenig gerade Linien, sondern immer, wenn es möglich ist, kleinere und größere Ausbuchtungen.

Man könnte zwei Punkte natürlich auch per kürzestem Weg miteinander verbinden, aber in unserem Garten ist fast nur die rechte Variante vertreten.

Was der Sinn dahinter ist? Man überblickt nicht sofort den gesamten Garten, sondern hat Buchten, versteckte Winkel und viele Beetflächen, auf denen man mit höheren Stauden und Gehölzen ein Überblicken der gesamten Anlage unmöglich macht. Diesen Effekt kann man leicht verstärken, indem man an den äußersten Enden der Beete buschige, höhere Pflanzen setzt, die die Einblicke zusätzlich noch erschweren.

Die rötlichen Geraden, die in einem roten Kästchen symbolisieren Blickachsen, die von den Beeten aufgehalten werden. Man sieht also weder gerade durch die Beete hindurch, noch direkt über sie hinweg.

Ich hoffe meine rudimentären Computerzeichenfertigkeiten stiften nicht zuviel Verwirrung, sondern ergänzen das, was ich beschreiben möchte. Auf der obigen Darstellung sieht man die beiden Beete von vorhin, zwischen die ein Weg hindurchführt. An den Ecken, in Hellgrün, wachsen höhere Pflanze, die einen Teil der Durchblicke verhindern. Die anderen Sichtachsen werden durch die Beetkrümmung selbst unterbrochen. Das alles sieht schrecklich theoretisch aus, in der Praxis sind viele dieser Überlegungen ganz logische Vorgehensweisen, die bestimmt viele von uns als ganz selbstverständlich betrachten.


In der Praxis sieht das so aus: Das Beet im Vordergrund deckt einen Teil der Grasfläche ab, der Weg, der zwischen den beiden Beeten in der Mitte des Bildes nach rechts hinten führt ist nur zu einem kleinen Teil sichtbar.

Das Cremegelb soll hier den Rasen darstellen, der rund um alle drei Beete und zwischen sie hindurch führt. Man sieht diesen Zusammenhang aber nicht auf den ersten Blick, sondern erst, wenn man den Garten durchgeht und die Beete umrundet. So früh im Jahr wir auf dem Foto ist noch ziemlich viel Übersicht vorhanden; mit Fortschreiten des Jahres verändern sich die Einblicke.

Hier die Draufsicht des Bildes von oberhalb - es wurde im Mai aufgenommen und es sind noch nicht sehr viele hohe Stauden vorhanden, nur die Akeleien und Silene dioica sowie die Zierkirsche verdecken die Sicht.


Im September hat sich die Situation aus dem gleichen Blickwinkel betrachtet noch einmal geändert: Wo im Frühling die Akeleien waren, ist jetzt eine Silberkerze, anstelle der Silene dioica steht ein riesiges Exemplar von Leucanthemella serotina, der Herbstmargerite, und im Beet gegenüber, wo ebenfalls Silenen wuchsen, blühen jetzt Astern und Phlox.


Hier sieht man gut, wie stark der "Verdeckungseffekt" Richtung Herbst hin wird. Wer mehr Übersicht möchte, muss also ab dem Frühsommer kontrolliert und vorsichtig zurückschneiden, um somit mehr Durchblicke zu erhalten.

Ich schätze verwinkelte Gärten mit versteckten Ecken und verborgenen Beeten sehr. Man muss jedoch darauf achten, es nicht zu übertreiben, die Durchgänge nicht zu schmal zu gestalten und den Pflanzen genügend Raum zur Entfaltung lassen.

Bei Schattenbeeten geht diese Gestaltung leichter, da viele der typischen Schattenstauden nicht sehr hoch werden und daher ganzjährig ähnliche Effekte leichter zu bewerkstelligen sind. Ich werde versuchen, nac den Sommerstaudenbeeten aus diesem Post demnächst die Schattenpartien in gestalterischer Hinsicht vorzustellen.

23. Januar 2013

Der Garten im Schnee

Endlich ist es soweit, seit nicht ganz einer Woche herrscht vernünftiger Winter, wie ich ihn mir für das gesamte Winterhalbjahr wünschen würde. Aber ich bin auch mit ein paar Tagen zufrieden :-). Die Bilder sind wieder einmal nicht von mir - ich war schon länger nicht mehr bei Tageslicht und halbwegs fotofreundlichem Wetter im Garten - sondern von meinem Vater, der einen herrlichen Vormittag vor wenigen Tagen genutzt hat, um möglichst alle Winkel des Gartens mit Schnee abzulichten. Danke dafür :-).


Die Perspektive oben kennt regelmäßige Leserinnen und Leser meines Blogs: Es handelt sich um den tiefsten Teil des Gartens, von mir daher oft als "unten" bezeichnet. Dort befinden sich die meisten Schattenbeete und unter den halbmondförmigen Beeten sowohl unter dem alten, knorrigen Apfelbaum als auch rechts davon, im Schatten, schlummern sie alle, meine Lieblingspflanzen; Lathyrus vernus, Hepaticas, die Jeffersonias, sämtliche Epimedien - der Spätfrost möge ihnen heuer gnädig sein! -, Podophyllum 'Spotty Dotty' und unzählige mehr haben ihre Blüten allesamt schon fertig ausgebildet und zwischen schützenden Blättern und tief in Knospen verhüllt warten sie auf den Frühling. Es ist also schon völlig fix, wie viele schieferschimmernd dunkle Triebe Polygonatum 'Bethburg' heuer haben wird, aber für mich bleibt die Spannung noch bis Mitte April aufrecht.


Schattenstauden sind zarte Pflanzen; viele sind sehr klein und ihr Blattwerk geht schnell verloren, viele bilden keine verholzten Stängel aus und verschwinden oberirdisch daher schon im Laufe des Herbstes. Übrig bleiben meist die Blütenstängel der Hosta, Deinanthen und die Stängel der Silberkerzen. Alles andere wird von den Bodenlebewesen im Winterhalbjahr verschlungen und im Frühling muss man in den Schattenbeeten nur mehr ganz wenig aufräumen. Oft gibt es sogar Stellen mit blankem Boden und das, obwohl ich das ganze Jahr über regelmäßig mulche.


Meinen umgekippten Sommerstaudenbeeten kann man keine Lobeshymnen mehr widmen, aber besser als leere Fläche sind sie doch noch. Es ist allerdings schon ziemlich ironisch, dass es heuer tatsächlich schon öfters Raureif gegeben hätte ;-). Links sieht man das Beet aus dem Frühling 2011, es geht heuer in seine dritte Saison und ich bin gespannt, wie gut sich die Proportionen halten werden. Ein paar Stauden werde ich sicher schon zurücknehmen müssen.


Der Teich ist nach einigen Tagen ohne Plusgraden zugefroren. Die vielen angeflogenen Molinia-Sämlinge haben sehr haltbare Stängel, die ich auch jetzt nach mehr als sechs Monaten noch sehr vollständig aussehen. Meine Eltern schneiden die Pflanzen im Teich meistens im Spätwinter, wenn der Teich noch gefroren ist, mit der Sense - somit muss man nicht im kalten Wasser herumschnibbeln und die Stängel bleiben an den Pflanzen, damit die Kröten im Frühling ihre Schnüre rundherumwickeln können.


Am linken Bild blickt man durch einen Rosenbogen in Mamas äußeren Acker, der zwar innerhalb des Gartens liegt, aber im Gegensatz zum Bauerngarten keine eigene Umzäunung hat und daher außerhalb des ersten Gemüsegartens liegt. In seiner Mitte steht ein Clematisobelisk, an seinem südlichen Ende sieht man die Klinkerziegelschichtung, die den Winter über zum Schutz einen Dachziegelabschluss bekommen hat.

Das rechte Bild zeigt die Holzpyramide, die mir mein Freund gebaut hat. Sie hält eine weiße Wicke (Lathyrus   latifolius 'Alba') und Clematis recta 'Purpurea' aufrecht (und leider auch ein paar Winden). Jetzt im Winter wirkt sie verloren und wie ein Fremdkörper in dem Beet, während sie im Sommer, wenn sie eingewachsen ist, viel kleiner erscheint. Im Hintergrund schimmert die Kirche vom Georgeberg aus dem Dunst, eine kleine Kirche, an deren Stelle früher eine Wehrkirche und noch früher sich eine keltische Wallanlage mit kleinem Tempel befanden.


Ein weiteres Obeliskengebilde steht im Kräuterbeet. Der erste Obelisk, nicht gerade von bester Widerstandsfähigkeit, versagte seine Dienste, als der Clematis schon dicht mit ihm verflochten war. Meine Mutter hat daher einfach eine weitere Rankhilfe darübergestellt, was man aber nur im Winter erkennen kann ;-).

Die Perspektive rechts ist bekannt; sie zeigt den sommerlichen Sitzplatz am Teich von der Einfahrt aus. Schon bald werden im Beet rechts Crocus blühen. Heuer erscheint mir der Winter sehr kurz, es dauert nur mehr etwas mehr als ein Monat und schon wird es wieder erste Makros früher Blüher geben! Kommendes Wochenende säen wir Chilis aus und heute hatten wir eine Zusammenkunft bezüglich der Tage der offenen Gartentür. Es werden der 8. und 9. Juni sein, an dem ihr unseren und zwei weitere Gärten besuchen könnt! Genaueres wird noch folgen. Genießt den Winter!

12. Januar 2013

Verschlimmbesserungen und andere Entwicklungen

Wer an langen Winterabenden trotz genügend anderer Arbeiten versonnen in den Frühlings- und Sommerbildern der vergangenen Jahre stöbert - und ich mache das sehr oft, um hier einmal die digitale Bildaufbewahrung zu loben, wer würde schon Gartenalben mit tausenden Fotos herumwuchten wollen? - wird vermutlich nicht nur Bilder verkommender Gartenecken finden, die in den letzten Saisonen zu kunstvollen Pflanzungen umgestaltet wurden, sondern ganz im Gegenteil auch über Fotos stolpern, die jetzt verkommene Gartenecken in früher besserem Zustand zeigen und unter Umständen Pflanzen in Höchstfom abbilden, an die aktuell nur mehr vergilbte Etiketten erinnern (huch, ist das ein Satz geworden, ihr seid noch dabei?).

Die Bilder zeigen ein Beet im Sommer 2008. Vier Jahre später gibt es dort mehr Schatten, deshalb weniger Blüten und Stauden, die alle etwas nach vorne kippen - ein Effekt, den die Winden, ebenfalls neu, noch verstärken.

Kurz gesagt: Wer etwas länger als zwei Jahre gärtnert, wird zahlreiche Pflanzen dem Kompost zugeführt, etliche Kombinationen aus Versehen zerstört und ganze Gartenecken mit unbedachten Ansiedelungsprojekten ruiniert haben. Das klingt jetzt natürlich in erster Linie negativ, was es aber gar nicht ist; Gärten leben immerhin davon, ständig umgestaltet werden zu müssen, wir GärtnerInnen wühlen deshalb mit großer Begeisterung und Staudengärtnereien und weitere Branchenbereiche ungeahntes Ausmaßes profitieren von diesen Entwicklungen. Trotzdem ist es irgendwie unangenehm, sich selbst eingestehen zu müssen, dass manche Umgestaltungen nicht der Weisheit letzter Schluss waren oder manche Jahreszeiten zum Umpflanzen von Stauden einfach weniger gut geeignet sind als andere.

Mein Exemplar von Hosta ventricosa 'Aureomarginata', bevor ich es für eine gute Idee hielt, diese schöne Pflanze an einen anderen Ort zu verpflanzen (wo mehr Platz gewesen wäre).

Ich erinnere mich leider an mehrere Pflanzen, die meine guten Absichten nicht überlebt haben. Hätte ich keine Fotos von ihnen, hätte ich sie wohl schon längst verdrängt, so aber werde ich hin und wieder an sie erinnert. Besonders schade finde ich den Verlust einer herrlichen Hosta ventricosa 'Aureomarginata', einer schon älteren Hosta-Sorte aus dem Jahr 1986 mit panaschiertem Laub, das im Frühling gelbe, im Sommer dann weiße Ränder hat und die dunkelviolett blüht. Sie war bei meiner ersten Hostabestellung im Frühling 2002 mit dabei und sie entwickelte sich in meinem Frühlingsschattenbeet, dessen Boden ich laufend verbesserte, prächtig.

So prächtig, dass ich vor drei Jahren beschloss, sie würde nun zu groß für dort und sie unter den Nussbaum verpflanzte. Das erschien mir wenig risikoreich, dort wuchsen schon viele andere - auch heikle - Stauden und ich goss sie und behandelte sie so, wie alle hundert umgepflanzten Hostas vor ihr - mit dem einzigen Unterschied, dass sie nie mehr erschien. An ihrer alten Stelle wachsen nun etliche andere Stauden und sie wäre wirklich zu groß geworden dort - aber es ärgert mich trotzdem immer noch.

Gillenia trifoliata, die Dreiblattspiere, an ihrem ersten Platz unter einem Apfelbaum. Diese Staude mag humosen, nicht zu feuchten Boden im lichten Halbschatten von Bäumen. Aber sie kommt auf mit Freiflächen klar; eine Information, die ich besser nicht bekommen hätte.

Ein weiteres Opfer meiner Umgestaltungen ist Gillenia trifoliata. Diese im Übrigen sehr empfehlenswerte und überlicherweise kaum umzubringende Staude (ich weiß, das klingt in diesem Beitrag jetzt nicht so überzeugend) blüht mit feinsten kleinen weißen Blüten, was sie zu einer schönen Staude für den Halbschatten macht. Zusätzlich dazu färbt sie im Herbst ihre Blätter und das tut sie, Literatur und meinen eigenen Augen, die sie in einem anderen Garten sahen gemäß in der Sonne viel besser als im Halbschatten, wo sie bei mir stand. Im Zuge einer Umpflanzaktion übersiedelte ich mein Exemplar aus dem Halbschatten, wo es eigentlich eh ganz gut gedieh in die Sonne, wo sie seitdem über das Stadium einer verhungerten 9cm-Topfpflanze nicht hinauskommt. Blöd gelaufen, jetzt habe ich weder Blüten noch Herbstfärbung.

Auf Freiflächen färbt sie angeblich verlässlicher. Der auf den Bildern zu sehende Herbsteffekt im Oktober 2008 bewog mich dazu, die Pflanze umzusiedeln (sie hatte bis dato in fünf Jahren nur einmal so eine schöne Färbung).

Ähnliches passierte mit dem größten Exemplar Calamagrostis brachytricha des Gartens, einigen Geraniums, die an bessere Standort verpflanzt wurden, einer wunderschönen Wiesenraute und einigen kleineren Stauden, die an ihren "besseren" Standorten von Nachbarpflanzen, die von den tollen Bedingungen ebenfalls profitierten, gnadenlos verschluckt wurden.
Natürlich darf man sich über solche Fehlschläge nicht ärgern, sondern man muss sich die Fehler merken, um beim nächsten Mal vielleicht zweimal zu überlegen, ob eine Pflanze nun wirklich umgesetzt werden muss oder auch, ob in ein volles Beet unbedingt noch eine weitere Staude reinmuss oder ob es nicht vielleicht doch schon passt.


Zwischen diesen zwei Bildern liegen vier Jahre, beide wurden Anfang August aufgenommen. Grund für die massive Veränderung ist eine Korkenzieherweide, die dem Beet die Sonne nimmt.
Schade sind solche Entwicklungen besonders bei Beeten, die sehr gut gelungen waren. Eines meiner schönsten Sommerstaudenbeete - und ein Grund dafür, dass ich in der Wiese gegenüber drei große Beete angelegt habe - war die Pflanzung, die ihr auf der Gegenüberstellung oben seht. In den ersten beiden Jahren war das Beet eine Pracht; dann wurde der Schatten einer Korkenzieherweide zu groß und nur mehr wenige Stauden gediehen noch ähnlich. Dazu gehören Hosta, Knöterich, Phlox, Geranium und ein Gras. Alle anderen Stauden sind verkümmert, eingegangen oder ich habe sie gerettet, bevor es soweit gekommen wäre. Im kommenden Jahr möchte ich das Beet renovieren und dazu die Weide radikal stutzen und auch im Sommer auslichten.


Zwischen dem ersten und dem letzten Bild liegen 8 Jahre - eine Zeit, die viele Pflanzen aus diesem Beet verschwinden ließ, so etwa die Paonien, Actaea 'Brunette', Sedum, Calamagrostis acutiflora 'Karl Foerster' (im mittleren Bild von 2004 gut zu sehen) und einige andere. Dafür hat sich der Knöterich verzehnfacht ;-).

Manchmal sind aber auch einfach nur die Pflanzen selbst schuld. In diesem Beet haben sich alle Stauden so sehr vergrößert, dass einfach kein Platz mehr für alle ist. Das ist schade, besonders im Fall der Paeonien, aber ich bringe es nicht über mich, den großen weißen Knöterich zu teilen. Man sieht hier eine Gegenüberstellung von drei Bildern, die, leider nicht mit dem selben Ausschnitt, das gleiche Beet zeigen und zwar 2003, 2004 und 2011. Konstanten sind Aconogonon 'Johanniswolke', Rosa glauca, Geranium 'Blue Cloud' und Hydrangea 'Annebelle', die ich letzten Herbst gerodet habe, um etwas mehr Platz zu schaffen. 

Hier sieht man auch gut, dass in älteren Beeten oftmals die Struktur verlorengeht, so war das Sedum in der ersten Reihe ein guter Ruhepol, wohingegen aktuell nur sehr große ('Johanniswolke') und sehr kleine (Geraniums) Strukturen vorherrschen. Ich werde mir für diesen Beetabschnitt definitiv etwas überlegen müssen!

Aber was wäre ein Winter, wenn er nicht neue Ideen für den Garten hervorbrächte ;-).

1. Januar 2013

Von der Notwendigkeit botanischer Pflanzenbezeichnungen

Weil wir im Winter zahlreiche Gartenkataloge wälzen und uns viel theoretisch mit Pflanzen beschäftigen, habe ich nun einmal einen sehr wissenschaftlich-theoretischen Blogbeitrag geschrieben, den ich schon länger geplant habe. Kritische Stimmen, Widerstände und abweichende Denkanstöße sind gern gesehen und erwünscht!

Wenn man sich näher mit Pflanzen beschäftigt, wird man früher oder später mit der Tatsache konfrontiert werden, dass Pflanzen nicht nur unterschiedlich aussehen, verschiedene Ansprüche haben und mit ganz voneinander abweichenden Techniken gepflegt werden wollen, sondern auch alle eigene, mehrteilige Namen tragen, jedes kleine Kraut am Weg ebenso wie jede Zimmerpflanze, jede Rose oder jede Tomate (wie auch jede Mücke, jeder winzige Nachtfalter und jede Nutztierrasse).

Verschiedene Blüten, aber trotzdem alles Iris? Deswegen braucht man Sortennamen, gerade bei Pflanzen, die nur kurz  blühen und während des restlichen Jahres kaum zu unterscheiden sind.

Wie funktioniert nun die Benennung von Pflanzen?

Die heutige Nomenklatur - das System zur Benennung von Lebewesen -  stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts und wurde, basierend auf bereits bestehenden Systemen, von Carl von Linnè eingeführt. Darin besitzt jedes Lebenwesen, und damit auch jede Pflanze, einen zweiteiligen Namen: Gattung (Geranium) und Art (phaeum). Im Original gehören noch der Name des Autors mit Kürzel dazu und wenn man es genau nimmt, werden die beiden Bezeichnungen kursiv geschrieben: Geranium phaeum. In der Regel werden diese genauen Vorschriften aber nur in wissenschaftlichen Werken eingehalten. Wir sollten uns nur merken, dass man den Gattungsnamen (Geranium) groß schreibt und den Artnamen (phaeum) klein.

Hierarchisch geht es oberhalb noch weiter, für uns interessant ist noch die Familie (Geraniacea = Geraniumartige) Familienzugehörigkeiten sind interessant, wenn es um Vermehrung, Aussaat und Wuchsverhalten geht, oft aber gehören zu einer Pflanzenfamilie so viele verschiedene Vertreter, dass es schon wieder nicht mehr so hilfreich ist, ihre Verwandschaft zu kennen (Rosen und Erdbeeren gehören etwa beide zur Familie der Rosaceae, was man an der Blüte gerade noch so erkennen kann, uns aber sonst nicht sehr viel weiterbringt, außer, wir sind sehr interessiert).

Steht hinter dem zweiteiligen Pflanzennamen nun noch ein weiterer, etwa 'Samobor' (unbedingt mit einfachen Anführungszeichen), so handelt es sich um einen Kultivar. Hier gehen die wissenschaftlichen Meinungen bereits auseinander, denn es muss sich dabei um eine in Gartenkultur befindliche und vom Menschen ausgelesene Reihe von Pflanzen handeln, die gleich aussehen und sich in erheblichem Maß von der Urform unterscheiden. In der Praxis, und nur das muss uns Pflanzenliebhaber kümmern, bekommen einzelne Fundpflanzen, die besondere Merkmale aufweisen, bereits dann einen Sortennamen, sobald sich herausstellt, dass sie in ihrer Form vermehrt werden können. Beim genannten Beispiel Geranium phaeum 'Samobor' handelt es sich um eine dunkelblättrige Variante von Geranium phaeum, die in Kroatien im Ort Samobor gefunden wurde.

Bei vielen Geraniumarten der Art x oxonianum (Hybriden zwischen G. endressii und G. versicolor) ist nicht mehr klar, ob es sich um die ursprünglichen Sorten handelt oder aus Versehen Sämlinge verkauft wurden. Daher sollte man solche Geranium, wenn man sie im Garten findet, immer als "Sämlinge" bezeichnen und nicht unter dem Namen der Eltern weitergeben.

Wichtig ist, dass man Sämlinge von Pflanzen mit Sortennamen nicht mehr wie das Elternteil nennen darf, da unklar ist, welche weiteren Arten an der Kreuzung beteiligt sind. Würde man diese Sämlinge unter dem gleichen Namen weiterverbreiten (selbst wenn sie auf den ersten Blick genauso aussehen), könnten die ursprünglich die Sorte auszeichnenden Merkmale (kleinerer Wuchs, größere Blüten, besondere Winterhärte...) verlorengehen und niemand würde sich mehr auskennen. Leider ist das schon bei vielen Pflanzen passiert, im schlimmsten Fall gehen so Sorten verloren oder man bekommt, je nach Quelle, unter ein und dem selben Namen fünf verschiedene Pflanzen.

Artnamen geben in fast allen Fällen eine Information weiter. Da diese aber, wie auch der Gattungsname, in lateinisch oder griechisch daherkommt, erscheinen uns viele dieser Namen willkürlich, dabei wäre es oft sehr hilfreich, wenn man sie verstünde: So weist bei Geranium palustris der Artname auf den feuchten Lebensraum hin (palustris - im Sumpf wachsend), bei Geranium pratense auf das Vorkommen der Art in Wiesen und oft entstehen sehr poetische Kombinationen, wie bei Lunaria rediviva, die wörtlich übersetzt "wieder auferstandene Mondpflanze" heißt, wogegen der deutsche Name "Silberblatt" ziemlich an Eindruck einbüßt (der Name kommt daher, dass diese Mondviole im Gegensatz zur zweijährigen Art jahrelang ausdauert, also jeden Frühling wieder "aufersteht").

Wer sich näher mit den Bedeutungen der Artnamen beschäftigen möchte, kann sich hier auf einer Liste mit vielen gängigen Artnamen und deren Übersetzung umsehen. Einen weiteren Link empfehle ich bei kniffligen Beispielen mit Unterarten und seltsamen Abkürzungen im Pflanzennamen - ich möchte an diesen Stelle nicht alle Ausnahmen anführen, da es sonst schnell verwirrend wird und komplizierter wirken würde, als es ist.

Bei Hosta 'June' kann man keine Art mehr zuordnen. Monbretia x crocosmiflora 'Luzifer' ist eine Hybride (das zeigt das x im Namen und alle Kreuzungen, die diese Eltern haben, heißen crocosmiflora) mit sehr klingendem Namen, ähnlich wie Anthriscus sylvestris 'Raven's Wing'.

Bei Pflanzen, die schon sehr lange züchterisch bearbeitet werden und wo bei den einzelnen Sorten nicht mehr ganz klar ist, welche Arten die Eltern sind, wird die Artbezeichnung im gesamten Namen ausgelassen, wie etwa bei den meisten Hosta (Hosta 'June', im Gegensatz zu Hosta montana 'Aureomarginata', wo man die Art noch genau weiß). Sortennamen sind übrigens kaum einer Regel unterworfen, sie können kreativ (Solidago 'Hiddigeigei') oder auch seltsam (Hepatica transsylvanica 'Blumenstadt Erfurt'), einprägsam (Monbretia x crocosmiflora 'Luzifer') und herrlich mystisch (Anthriscus sylvestris 'Raven's Wing') sein. Viele erhalten die Namen der Entdecker, deren Frauen, Männer, Kinder und Lieblingsfilmfiguren oder aber auch den Fundort der Pflanze.


Und was hat das alles mit mir zu tun?

Wenn man neu damit in Berührung kommt, erscheint einem dieses System sehr komplex, verwirrend und vor allem: unnötig. Ich war anfangs erschrocken und kurz war mir die Freude an den Pflanzen verdorben, denn ich konnte keine mehr korrekt benennen und mich störte die Enge des Systems - hier war kein Platz für "sieht aus wie xy, aber mehr rosa und mit größeren Blättern" und nette Namen wie "Schlüsselblume" und "Löwenmaul" blieben völlig unerwähnt.

Mit deutschen Namen geht es solange gut, wie man mit Nachbarn gärtnert, Ableger freudig annimmt und einfach vorsichhingrünen lässt. Wehe aber, man sucht etwas Bestimmtes! In der analogen Welt der Bücher braucht man den botanischen Namen, um in Lexika nachschlagen zu können. Zwar gibt es Werke, die auch deutsche Namen führen, aber es gibt viele deutsche Namen, die mehrfach vergeben wurden.

Märzenbecher, Schneeglöcken und Osterglocke oder Schneeglöckchen, Echtes Schneeglöckchen und Märzenbecher oder Frühlingsknotenblume, Schneeglöckchen und Narzisse? Leucojum vernum, Galanthus nivalis und Narcissus-Hybride!

Mein Lieblingsbeispiel dazu ist die Narzisse. Sie wird in Deutschland mancherorts als Osterglocke bezeichnet; in Österreich dagegen nennt man sie Märzenbecher. Gebe ich nun Ableger unter diesem Namen weiter und die Person recherchiert danach in verschiedenen Medien zu dieser Pflanze, so wird sie fast ausschließlich Bilder von Frühlingsknotenblumen finden (Leucojum vernum). Diese aber werden in Österreich Schneeglöckchen genannt, während Galanthus nivalis als "Echte Schneeglöckchen" bezeichnet werden ("Narzisse" heißen in Österreich übrigens nur die wilden Dichternarzissen, Narcissus poeticus).Wie soll man sich da auskennen, wenn es keine international gültigen Bezeichnungen gibt?

Richtig schwierig wird es dann, wenn umfangreiche Gattungen mit vielen Arten ins Spiel kommen. So ist es bei vielen bekannten Gattungen wie den Storchschnäbeln, Iris, Helleborus und auch bei Katzenminzen fast unmöglich, ohne Art- und Sortennamen genau die Pflanze zu erhalten, die man möchte. Und dann erst das Chaos bei den unzähligen Pflanzen, die gar keine deutschen Namen besitzen, weil sie zu selten kultiviert werden oder erst neu entdeckt wurden!

Wer schon einmal Pflanzen im Ausland bestellt hat, wir die lateinischen Namen zu schätzen wissen, denn man muss der Sprache nicht mächtig sein, um dänische Pflanzenkataloge nach Wunschpflanzen zu durchforsten. In Zeiten des Internets ist es zudem kein Problem, wenn man auf unbekannte Namen trifft, denn man kann googeln oder in Foren nachfragen - irgendwer weiß immer Bescheid.

Ärgerlich ist das ganze Thema nur, wenn man frisch daran herantritt und von der schier unglaublichen Menge an Namen, die nochdazu alle fremdartig klingen, fast erschlagen wird. Dann sollte man einfach versuchen, Schritt für Schritt die botanischen Namen mitzuverwenden, manchmal die Etiketten der Pflanzen neu zu lesen oder in Gartenbüchern auch die kursiven Namen mitlesen. Mit der Zeit weiß man ganz von alleine, wie nun etwas heißt. Wenn es dann ans Gespräch mit Gärtnerinnen und Gärtnern geht, sollte man keine falsche Scheu aufkommen lassen, sondern einfach drauflosreden. Ein Problem kann nämlich auch die Aussprache sein, aber ohne fragen wird man nie wissen, ob man nun Hellebòrus oder Hellèborus sagt ;-) (letzteres).

Ich hoffe, ich habe euch mit dem Beitrag nicht erschreckt, sondern die Sinnhaftigkeit der botanischen Benennung nähergebracht. Bei Fragen bitte einfach drauflosschreiben!