12. November 2011

Darf man zum Schutz des Gartens töten?

Jaja, es ist mir bewusst, die Frage ist tendenziös. Und natürlich, auch ich verfluche sie, die Störer des Gartenfriedens, die als Tiere und Pflanzen gnadenlos meine Pläne durchkreuzen und kleine, teure Pflanzen überwachsen, auffressen oder langsam zum Absterben bringen.

Trotzdem töte ich sie ungern, besonders Tiere. Ich habe mich, um dieses Dilemma zu klären und mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, zu einem etwas scheinheiligen Kompromiss entschlossen: Ich verwende niemals Gift oder andere chemischen Hilfsmittel und töte nur, wenn das Tier eindeutig Schaden anrichtet. Und dann nur mit den eigenen Händen. Das schränkt die Tötungsmöglichkeiten stark ein, denn Schneckenkorn, Spritzmittel und andere fragwürdige Substanzen kommen für mich nicht infrage. Zusammengerechnet habe ich somit im vergangenen Gartenjahr ein Dutzend Lilienhähnchen zerdrückt und bei vielen Maikäferengerlingen die Nahrungskette beeinflusst, indem ich sie für Amseln ausgelegt oder den Hühnern zugeworfen habe.


Den größten Anteil der von mir getöteten Tiere umfasst allerdings - interessanterweise - Maulwurfsgrillen. Diese faszinierenden und sehr großen Insekten lieben lockere Böden in sonnigen Lagen und sind in den Wiesen, die unseren Garten umgeben, in großer Anzahl vorhanden, sodass sie zahlreich einwandern und meine Staudenbeete besetzen. Sie wären an sich kein großes Problem, da sie sich gerne von tierischem Eiweiß ernähren. Wenn sie allerdings sehr zahlreich vorhanden sind und tierisches Eiweiß knapp wird (sie sind sogar kannibalistisch), ändern sie ihre Strategie und knabbern zarte, kleine Wurzeln, fressen Rasen und Rasensamen und befördern im Gemüsebeet neugepflanzten Salat, Fenchel, Sellerie und auch verschiedenste andere Kulturen durch vollständiges Abbeißen der Wurzeln ins Jenseits.

Daher werden Maulwurfsgrillen, die ich im Garten finde - und das ist beim Graben von ungefähr jedem zweiten Loch der Fall - zerteilt. Das tut mir trotzdem leid, denn es sind schöne und ganz weich behaarte, samtige Tiere mit maulwurfsartigen Grabeschaufeln. Da ich an einem guten Tag allerdings bis zu 50 der hübschen Tiere finde (und im Gemüsegarten nach jeder Pflanzung mindestens ebensoviele Ausfälle zu beklagen sind), hält sich meine Besorgnis über meinen Einfluss auf ihre Verbreitung in Grenzen.


Damit ist meine Grausamkeit allerdings schon erschöpft. Blattläuse werden ignoriert (Gartenbesucherin: "Haben Sie Läuse?" - "Weiß ich nicht, vielleicht." - "Ich habe da nämlich welche gesehen..."), Rüsselkäfer ebenso (ja, sie fressen da und dort Blätter auf. Heucheras wachsen hier sowieso nicht gut. Also: egal) und am egalsten sind mir Pflanzenkrankheiten. Was nicht schön aussieht, wird zurückgeschnitten und wenn es sich nicht erholt, hat es Pech gehabt.

Pech habe ich auch, wenn irgendwo zuviel Unkraut wächst, Winden sich durch Stauden ranken oder andere bösartige Unpflanzen ihr Unwesen treiben. Ich entferne mit der Hand, soweit ich etwas erkenne und bei den Winden so lange, wie die Geduld mich lässt. Manchmal gebe ich auch auf. Niemals aber würde ich mit Chemie nachhelfen.

Das hat durchaus moralische Gründe. Es ist mir nämlich nicht ganz klar, wie man die Definition bestimmter Pflanzen als Unkraut treffen kann, während man andere Gewächse fördert, düngt, siebenmal umpflanzt, gießt und hätschelt. Es ist mir auch ein Rätsel, wie man so versessen auf seine eigene Vorstellung eines schönen Gartens sein kann, dass man das Leben von gartenunkompatiblen Tiere im großen Stil auslöscht. Ja, es gibt hier Schnecken, ja, meine Hosta sind ab Juni angeknabbert, aber so ist das nun einmal, wenn man ein Hobby ausübt, das sich in unmittelbarer Interaktion mit der Wildnis befindet. Da darf man sich nicht wundern, wenn es auch andere gibt, die Hostas schön finden - immerhin wächst nichts auf dieser Welt nur alleine zu unserer Freude; auch wenn wir uns das gerne einreden würden.


Natürlich ärgert ich mich dann trotzdem, wenn etwas verschwunden ist, das ich eigentlich doch gerne zur meiner eigenen Freude gehabt hätte, denn wenn Tiere etwas mögen, teilen sie nicht. Es gibt hier zeitweise Rehe, deren Niedlichkeit keine Chance hat, im direkten Vergleich mit den Auswirkungen ihres Hungers auch nur annähernd zu bestehen; was heißt: Sie fressen alles kurz und klein, was einem lieb und teuer ist und besonderen Geschmack scheinen sie an Geranium gefunden zu haben (Tendenz: je englischer die Pflanze und bislang ungesehener die Blüte, desto leckerer). Ganz klar, bei sowas kommen martialische Gedanken auf. Aber he: Wo unser Garten ist, war früher Wiese, woher kommt mein Recht zu sagen, ein Reh gehöre in den Wald, davon gäbe es doch genug? 


 Was mir besonders wichtig ist, ich lasse Raupen leben. Viele Raupen sind nämlich monophag, das heißt, sie können sich nur von einer Pflanzengattung oder gar nur einer Art ernähren. Wenn man sie also nimmt und freundlicherweise nicht zerdrückt, sondern in die Wiese wirft, wird die Raupe trotzdem sterben (in diesem Zusammenhang: Die Raupen, die gerne auf Fuchsien fressen, sind die des Mittleren Weinschwärmers. 
Man kann sie auf Blutweiderich, Weidenröschen oder Nachtkerzen umsiedeln).

Und nun bin ich schon wieder still. Mir ist aufgefallen, die Naturliebe vieler Gartenbesitzer scheint endlos, solange es nicht um Mäuse, Schnecken und Dickmaulrüssler geht. Darüber hinaus ist man lieber ruhig. Denn wer seine Hostas von Schnecken anfressen lässt und sich nicht einmal ärgert, mit solchen Leuten kann etwas nicht stimmen.

(es macht mich ehrlicherweise etwas nachdenklich, dass ich nur wenige Fotos der von mir so geschätzen Mitlebewesen habe. Das hole ich nach, versprochen!)

6 Kommentare:

  1. darf man zum Schutz des Gartens töten?- Ich sage JA! Allerdings meine ich das nur die bösen Nacktschnecken und die lästigen Stechmücken betreffend. Läuse an Rosen werden per Hand abgestreift. Die an den Mageriten dürfen bleiben. Alles andere Getier darf leben und sich austoben, allerdings kommt bei mir auch kein Reh vorbei, höchstens mal ne Wühlmaus und der Maulwurf. Einen schönen Sonntag für dich Annette

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  2. Ich habe schon gedacht, ich sei die Einzige, die Maikäfer-Engerlinge verfüttert - bei mir sind es die Amselmänner, die sich tierisch darüber freuen. Das meiste darf irgendwie bleiben oder ich streue oder spritze Neem-Samen(brühe). Ansonstern verfahre genauso wie Du, was zu viel ist, darf halbiert werden, machen wir doch bei Stauden auch so, oder? =) Da ich nicht alles umgrabe, sondern immer nur ein wenig, dürfen die Engerlinge aus diesem Stück auch weichen. Wo ich überhaupt keinen Pardon kenne, sind Schnecken. Sie haben mir im Juni einen Zucht-Pracht-Eissalat weggefuttert, den ich für eine Party bis dahin gezüchtet hatte. Als ich ihn nach einem kurzen Regen ernten wollte, saßen 5 von den Biestern darauf, er war kaum noch existent und das schlimmste - ich habe gehört, wie ihn fraßen. Seitdem bin ich etwas bockig. Wahrscheinlich sitzen sie in den Ecken und lachen sich tot - strotzend gesund durch das, was sie sonst noch alles weggefuttert haben...
    Liebe Grüße,
    Dagmar

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  3. Also bei (Nackt)Schnecken kenne ich keine Gnade, die töte ich hemmungslos....
    Am Anfang meiner Gartenkarriere habe ich sie noch aufgesammelt und aufs nächste Feld getragen. Heute nehme ich Ferromol oder meinen Spaten.
    Blattläuse stören mich allerdings auch nicht, die überlasse ich unseren Blaumeisen ;-)

    Ob ich das darf...ich weiß es nicht, aber mir blutet einfach das Herz, wenn in einer Nacht ganze Salat- und Bohnenreihen abgefressen werden und der Rittersporn nicht mal die Chance hat, größer als 10cm zu werden.
    Womit ich allerdings auch leben kann, sind Blattkrankheiten und Unkraut. Ich versuche von vornherein, den Pflanzen einen passenden Standort zu geben und sie zu stärken, wenn es misslingt habe ich eben Pech...das macht Platz für Neues!

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  4. oh ich bin eine Freund des Maulwurfes , denn er ist im Gegensatz zur Wühlmaus kein Vegetarier sondern Fleischfresser!!
    Deshalb fühlt er sich bei mir so wohl, auch Engerlinge gehören zu seinem Speiseplan.
    Aber Rehe gehören in den Wald und nicht in unseren Garten.
    Geholfen hätte ein Hund, aber den wollten wir nicht!
    Deshalb haben wir mit Nachbarn einen hohen Wildschutzzaun gesetzt.
    Vergrämungsmittel halfen überhaupt nicht und die Jäger sind für Priavtgärten nicht zuständig und sie brauchen auch nicht wie auf den Feldern den Wildschaden entschädigen.
    Elektrische Weidezäune sind nicht erlaubt , nun haben wir Ruhe und keine zerknapperten Plfanzen!
    Nachbarskatzen fangen Mäuse,
    Necktschnacken habe ich kaum aber Weingbergschnecken, sie finden auch genug und zuviele sammle ich ab oder lege Bretter als Unteschlupf aus. Dort finde ich sie tagsüber sehr einfach.
    ich habe sandigen Boden und gieße wenig.
    Anfangs schütze ich die Pflanzen wie Kürbisse mit Mineralwasserflaschen und sähe auch viel mehr aus als wir brauchen für die Mitfesser!

    Blattläuse sind Meisenfutter, die stören nicht oder bekommen eine Dusche mit scharfem Wasserstrahl, wenn es mal zuviel ist.

    Und es ist zu schön, wenn die Rotkehlchen und der Zaunkönig die Holz- und Reisighaufen auf Insekten durchsuchen.

    Durch die Vielfalt gibt es ein Gleichgewicht.
    Frauke

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  5. Na ja, da werden wohl die Meinungen auseinander gehen. Ich selber wehre mich für mein Gemüse mit Schneckenkorn und werfe die Engerlinge den Vögel zum Frass hin (ist ja dann nicht meine Schuld wenn die gefressen werden).
    Alles andere darf hier wohnen oder wird von der Katze vertrieben.
    Da wir den Garten wegen der Kinder (Ausbruchsicher) und wegen der Schafe des Pächters (Einbruchsicher) eingezäunt haben, bleiben die Rehe draussen. Ich hab jedoch mal irgendwo gelesen, dass man Menschlichen Urin den Grenzen entlang verteilen soll, soll helfen.
    Also entweder ab sofort in den Becher machen und auskippen oder die männlichen Mitbewohner und Gäste an die Grenze schicken wenn sie mal müssen *lach
    LG Pascale

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  6. Hallo Katrin,
    zufällig bin ich erst jetzt auf Deinen sehr interessanten Post gestoßen. Schön, dass ich mit meiner Einstellung nicht allein auf weiter Flur bin! Denn ich stehe auch auf dem Standpunkt, dass selber töten wenn die richtige Lösung ist. Mit Schneckenkorn bzw. Gift gegen andere Tiere vorzugehen, bedeutet, dass man sich gar nicht richtig bewusst wird, was im eigenen Garten eigentlich los ist.
    Bei Nacktschnecken hatte ich das ja 1 Jahr lang von August 2002 bis zum Herbst 2003 praktiziert und dabei die gesammelten Tiere gezählt und die Mengen pro Tag sowie das Wetter notiert. Das waren in 2002, als es den Starkregen gab, im Herbst ca. 6.000 Tiere und im Folgejahr nochmals um die 3.000 spanische Nacktschnecken. Spass hat es mir wirklich nicht gemacht - aber meine Einstellung verändert. Gift kam mir ohnehin nicht in den Garten. Und den mit dem Garten geerbten Giftschrank hatten wir sogleich bei der Gartenübernahme entsorgt. Und so stellte ich mir im Frühjahr 2004 die Frage, mit welchem Recht ich die Schleimer töte, wenn ich durch die Anlage des Gartens, der Mulchschicht und durch das ausgiebige Wässern der Neuanpflanzung dazu beigetragen habe, dass sie sich so gut entwickeln konnten.
    Also haben wir danach den Speiseplan der Schnecken erheblich eingeschränkt. Inzwischen scheinen sich dafür Tigerschnegel bei uns wohl zu fühlen, die eventuell regulierend eingreifen.
    Nur unser Zeckenproblem duldet keine leider Nachsicht, denn eine mit Borrelien infizierte hatte mich im Sommer 2011 im Garten erwischt. Die werden also konsequent in der Wiese & am Wegesrand gesucht, bzw. beiläufig bei der Gartenarbeit etc. entdeckt und wandern dann in ein Glas mit Chlorreiniger zum schnellen & sicheren Abtöten. Nur wenn wir mal wieder ein Zeckennest haben sollten, dann werden ausnahmsweise bis zu 2 m im Umfeld des Nestes mit Gift behandelt. Aber da bei so einer Aktion auch nützliche Tiere getötet werden, habe ich ein äußerst mulmiges Gefühl.
    Doch das habe ich ja auch schon, wenn ich im Frühjahr all' die Wallnußbäumchen rausreißen muss, die die Eichhörnchen im Herbst gepflanzt haben!
    LG Silke

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