23. Juli 2012

Wenn die Schönheit kippt...

... und andere Dinge, die passieren, weil man Stauden nicht stäbt.

Manches Mal ist es schon im Juni der Fall, ein anderes Mal passiert es erst später, aber über kurz oder lang bleiben sie nicht aus: umkippende Stauden, Winden-Infernos, verschluckte Raritäten, zerfallene Kombinationen und somit beeinträchtigte Beete. Besonders ärgerlich ist, dass man in vielen Fällen selbst die Schuld am Kollabieren einer Pflanzung trägt, denn meist beginnt das Problem schon Jahre vorher, nämlich beim Anlegen.


Oft sind zu dichte Pflanzungen das Problem, denn alle Pflanzen, sogar jene, die im tiefsten Schatten zu überleben vermögen, streben nach Licht. Es ist dahe nur normal, dass sonnige Pflanzungen meist wenig Probleme hervorrufen, während halbschattige Lagen besonders anfällig sind, da Gärtnerinnen und Gärtner, trotz Kenntnis der Lebensbereiche der Stauden, dazu tendieren, Lichtverhältnisse zugunsten der erwünschten Kombinationen auszulegen. Da landen dann schonmal Sanguisorbas im Halbschatten, worauf sie lange Hälse bekommen und Richtung Sonne ausweichen und sich am Weg dahin immer mehr dem Boden annähern.


Hier beginnt das eigentliche Problem: Winden, ebenfalls unterwegs zum Licht, um ihre strahlend weißen Trichterblüten in die Sonne halten zu können (die sind auch noch Bienenweide!), ergreifen die lagernden Stauden und nützen sie, um weiter nach oben zu gelangen. An diesem Punkt darf eine Pflanzung als verloren betrachtet werden. Natürlich nicht komplett, noch ist nichts verstorben, aber höhere Stauden, die aus wiesenartigen Habitaten stammen, sind an solche unangenehmen Vorfälle gewöhnt (Wind, trampelnde Tiere, Regengüsse,...) und richten ihre Blütenstände umgehend zur Sonne aus. Das schaffen sie innerhalb weniger Stunden und diese Eigenschaft hat leider zur Folge, dass ein Entwirren der Winden und nachträgliches Aufbinden original nichts bringt, denn das Ergebnis ist so ohne jeglicher Zierde, dass es in vielen Fällen besser ist, nichts mehr zu unternehmen.


Es beruhigte mich zutiefst, in der Gartenpraxis (06/12) in einem Phloxartikel eine Passage über einen englischen Gärtner - Alan Bloom - zu lesen, der jedes Jahr aufs Neue verpasste, seine Stauden rechtzeitig zu stäben und darob so verzweifelt war, dass er das gängige English-Border-Konzept über den Haufen warf (1951 - und in England!) und wohl aus seiner Wut heraus etwas Kreatives schuf: Inselbeete, in denen sich die Stauden gegenseitig stützen und deren Bepflanzung zur Mitte hin gestaffelt wird.

Das klingt überzeugend und im Artikel waren glaubwürdige Bilder zu sehen, welche die Inselidee mit gelungenen Pflanzungen illustrierten. Was leider niemand schrieb, ist die jährliche Niederschlagssumme, bei der gegärtnert wird. Denn erstens mag es in England zwar öfter mal regnen, in Summe aber ist es dort in vielen Teilen trockener als in zahlreichen Regionen Süddeutschlands und Österreichs und zweitens ist England groß; wer nordöstlich von London seinen Garten pflegt, wird in einigen Sommern schon Gießverbote erlebt haben (wie schön - in GB gibt es kein Autowaschverbot, sondern ein Gießverbot! Was für eine sympathische Grundstimmung!), während in Schottland oder den Hügeln von Wales soviel Sumpf herrscht, dass man keine Schwertliliensammlung anlegen könnte.


Der Herr jedenfalls gärtnerte nahe Norwich, wo der jährliche Jahresniederschlag bei ungefähr 650mm liegt. Das ist weniger, als in zwei Drittel der Fläche von Deutschland im Jahr an Regen fällt (hier die Karte dazu) und in Österreich gibt es überhaupt nur ganz im Nordosten Regionen, wo man mit weniger Niederschlag rechnen muss (Karte).

Wer also in einer Region lebt, wo der Jahresniederschlag auf über 1000mm ansteigt (hier ist das nicht unüblich), der wird noch viel größere Probleme haben, standfeste Staudenbeete anzulegen, selbst wenn er für seine Beete die - auch imalpennordrandigen Staulagen-Regenklima gut geeignete - Inselform wählt und gewissenhaft nach Wuchshöhe staffelt. Denn Stauden wachsen Richtung Licht und sie tun das noch schneller und instabiler, wenn sie viel Wasser zur Verfügung haben; dann werden ihre Stängel knackig, sie wachsen wie von Sinnen und bis Juni schwelgt man im Glück offensichtlichen Gartenerfolgs, ehe das erste wildere Gewitter mit kraftvollem Downburst oder der erste zähe Landregen die Höhenstaffelung umbauen und die letzte Reihe in die mittlere sinkt, welche sich über die erste legt, die in der Folge verschwindet und für diese Saison ihre Zierde verloren hat.


Noch rascher passiert der traurige Verfall blühender, gerade eben noch perfekter Beete, wenn man sie neu anlegt oder zu enthusiastisch düngt - der hohe Nährstoffgehalt im Boden provoziert hohen, windanfälligen Wuchs, große Blätter und viele Blüten (in denen sich literweise Regenwasser sammelt) und ein einziger Gewitterguss kann eine Pflanzung ganz empfindlich stören. Dabei kommt es ganz auf die Stelle an, wo so etwas passiert: Irgendwo mitten im Beet mag es zu verschmerzen sein; entlang von Wegen oder an Beeträndern sieht es anders aus und ärgerlich wird es vor allem dann, wenn später im Jahr noch benötigte Pflanzen verdeckt oder erstickt werden.

Natürlich könnte man einfach stäben. Man könnte schon im Mai in den letzten Reihen von Beeten oder in der Mitte von Inselbeeten herumhüpfen, bienenbesetzte Alliums umrunden und mit viel Geduld, Bambusstäben und teuren Staudenstützen regensichere Sperren bauen. Das wäre grundvernünftig und völlig angebracht. Aber leider versetzen mich meine Beete jeden Frühling mit ihrem strammen Aussehen in die Gewissheit, dass Zweifeln nicht notwendig sei und sicher keine Pflanze je kippen wird ["Wer hat denn schon jemals so eine aufrechte Vernonia umfallen sehen?"]. Jetzt könnte man denken, ich wäre völlig bescheuert, aber natürlich weiß ich im Grunde schon, was zu tun ist. Nur leider ist das Stäben und Aufbinden von Pflanzen eine Gartenarbeit, die ich nicht ausstehen kann.


Ich versuche nun, möglichst aufrechte Stauden zu verwenden, potentielle Umfaller neben diesen zu platzieren und noch standortgerechter zu pflanzen. Die Inselform ist für Beete, die chronischen Kippen verhindern sollten, auch meiner Erfahrung nach sehr zuträglich. Sollte trotzdem das eine oder andere kippen, bin ich dazu übergegangen, die gekippten Stauden zumindest teilweise zu schneiden, um Totalverluste bei den Stauden, die darunter zu liegen kommen, zu vermeiden. Und in den nächsten Tagen werde ich nun beginnen, ein der Schwerkraft offenbar besonders ausgesetztes Beet umzugestalten, indem ich die größten Umfaller entferne (und in sonnigere Lagen umsiedle) sowie den deutlichsten Beschatter zurückschneide (eine Hasel). Falls das klappt, könnte ich nach und nach meine Umfall-Beete sanieren und hätte dann einen Garten, in dem nichts mehr zu Boden sinkt. Zumindest nicht, bevor es besonders regnet und stürmt. Was sowieso eher selten passiert ;-).

10 Kommentare:

  1. Wir gehören ja zu der Regionen mit 700mm (dieses Jahr werden wir aber sicher mehr haben) Niederschlag und weniger, auch dünge ich nur im Frühjahr etwas und dann nicht mehr. Trotzdem haben einige Stauden die Tendenz zu kippen - mit Pinzieren im Mai (man kennt ja langsam seine Kandidaten) versuche ich dem entgegenzuwickern - bis jetzt hat das recht gut funktioniert.

    Liebe Grüsse Rosana

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    1. Das Pinzieren vergesse ich immer... welche Stauden pinzierst du, bei welchen würde es sich sicher lohnen? Ich mache es manchmal bei sehr hohen, sonst zu hohen Astern, aber bei den anderen Stauden habe ich es noch nie probiert. Das wäre einmal ein spannender Post im langweilig Winter!
      LG, Katrin

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  2. Wow, eindrucksvolle Bilder! :-) Solche Gewittergüsse hatten wir vor ein paar Wochen auch, und das einen ganzen Tag lang. Bei uns stand der komplette Rasen unter Wasser. Auch wenn ich sonst gerne die Zeit vorspulen würde, aber in diesem Fall bin ich ganz dankbar, dass wir dieses Jahr erst begonnen haben den Garten anzugelegen. Da konnte noch nicht viel umfallen. Werde mir deine Ratschläge aber zu Herzen nehmen. Am liebsten würde man ja immer gleich alles lückenlos zupflanzen. Konnte mich bisher aber bremsen. ;-)
    Viele Grüße aus dem endlich herrlich sommerlichen Norddeutschland, Anne

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  3. Katrin ich hab noch nie was gestäbt, das ist mir zu aufwändig. Ich stütze höchstens mit diesen grünen Halbbögen. Das muss man aber zeitig machen, bevor die Stängel schon verbogen sind.

    Woher weiß du eigentlich, dass ich ein weißes Sanguisorba in den Halbschatten gesetzt habe - weil kein Platz mehr war? ;))

    Sigrun

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    1. Jeder schöne Garten muss ein instabiles Sanguisorba im Halbschatten haben, wusstest du das nicht *gg*. Nein, bei mir war es ähnlich: Wohin damit, ach, das wird schon Richtung Licht wachsen... tut es ja auch, aber nicht nach oben ;-).

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  4. Man kann die Dinge auch einfach ein wenig gelassener sehen. Ich stütze fast nie, und dichtes Pflanzen hat da auch Vorteile. Die Stauden stützen sich gegenseitig.
    Lieben Gruß
    Elke

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  5. Dachte schon es geht nur mir so. Im Mai und Juni sieht alles schön straff aus
    und ich denke das hält schon. Im Juli ist alles so hochgewuchert und nix bleibt
    alleine stehen. :-)

    Liebe Grüsse Urte

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  6. je ne comprends pas l'allemand et la traduction est très loin d'être parfaite mais les photos parlent d'elles mêmes ! Je vois que vous n'êtes pas épargnés par la pluie. Personnellement je suis belge et depuis 1 an j'habite en Hongrie, ici le climat est chaud, sec et ensoleillé et ....... parfois j'aimerais un peu de fraîcheur et de pluie :-D

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  7. Danke an alle für die netten Bemerkungen.

    @Anne: Dicht pflanzen ist aber im Zweifelsfall doch besser, da man weniger Unkraut hat und falls irgendwo zuviel Enge bemerkbar wird, kann man gleich neue Beete anlegen ("damit alle Stauden wieder genug Platz haben") *gg*.

    @Elke: Ich sehe das auch ziemlich locker und ich pflanze auch sehr dicht, viel kann ohnehin nicht passieren. Aber wenn ich bei Regen nicht mehr durch den Garten passe, kommen mir schon Zweifel ;-).

    @Urte (oder Ute?), dein Kommentar beruhigt mich. Ich glaube das auch wirklich jedes Jahr aufs Neue, weils so unwahrscheinlich erscheint, dass doch alles kippelig wird.

    @Marcel: The rain was not the problem, it was not so much, just for some minutes. The problem are the plants, which fall over, wenn they get wet. Moving from Belgium to Hungary must be hard for a gardening guy!

    Thanks for leaving a comment!

    Best wishes, Katrin

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  8. Hallo Katrin,

    dieser Post tröstet mich! Im Frühling war alles am vertrocknen und als es endlich anfing im Juni zu regnen wuchsen plötzlich alle Stauden kraftvoll strotzend in die Höhe. Dann die Kälte und heftige Sturmböen im Juli...
    Im Gemüsegarten regiert die Krautfäule, Erdbeeren faulten an der Pflanze, Paprikas wuchsen regelrecht rückwärts, die Blüten der Stauden sind vielfach verklebt oder vom Sturm zerfleddert, die Pflanzen haben durch den TÄGLICHEN Gewitterschauer oder durch die stürmischen Windböen keine Chance aufrecht stehen zu bleiben.
    Ein Trost sind noch die Sonnenhüte. Sie halten sich tapfer.
    Es ist ein Schaltjahr... nächstes Jahr wird es wieder besser!

    Liebe Grüße

    Carola

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