12. Januar 2013

Verschlimmbesserungen und andere Entwicklungen

Wer an langen Winterabenden trotz genügend anderer Arbeiten versonnen in den Frühlings- und Sommerbildern der vergangenen Jahre stöbert - und ich mache das sehr oft, um hier einmal die digitale Bildaufbewahrung zu loben, wer würde schon Gartenalben mit tausenden Fotos herumwuchten wollen? - wird vermutlich nicht nur Bilder verkommender Gartenecken finden, die in den letzten Saisonen zu kunstvollen Pflanzungen umgestaltet wurden, sondern ganz im Gegenteil auch über Fotos stolpern, die jetzt verkommene Gartenecken in früher besserem Zustand zeigen und unter Umständen Pflanzen in Höchstfom abbilden, an die aktuell nur mehr vergilbte Etiketten erinnern (huch, ist das ein Satz geworden, ihr seid noch dabei?).

Die Bilder zeigen ein Beet im Sommer 2008. Vier Jahre später gibt es dort mehr Schatten, deshalb weniger Blüten und Stauden, die alle etwas nach vorne kippen - ein Effekt, den die Winden, ebenfalls neu, noch verstärken.

Kurz gesagt: Wer etwas länger als zwei Jahre gärtnert, wird zahlreiche Pflanzen dem Kompost zugeführt, etliche Kombinationen aus Versehen zerstört und ganze Gartenecken mit unbedachten Ansiedelungsprojekten ruiniert haben. Das klingt jetzt natürlich in erster Linie negativ, was es aber gar nicht ist; Gärten leben immerhin davon, ständig umgestaltet werden zu müssen, wir GärtnerInnen wühlen deshalb mit großer Begeisterung und Staudengärtnereien und weitere Branchenbereiche ungeahntes Ausmaßes profitieren von diesen Entwicklungen. Trotzdem ist es irgendwie unangenehm, sich selbst eingestehen zu müssen, dass manche Umgestaltungen nicht der Weisheit letzter Schluss waren oder manche Jahreszeiten zum Umpflanzen von Stauden einfach weniger gut geeignet sind als andere.

Mein Exemplar von Hosta ventricosa 'Aureomarginata', bevor ich es für eine gute Idee hielt, diese schöne Pflanze an einen anderen Ort zu verpflanzen (wo mehr Platz gewesen wäre).

Ich erinnere mich leider an mehrere Pflanzen, die meine guten Absichten nicht überlebt haben. Hätte ich keine Fotos von ihnen, hätte ich sie wohl schon längst verdrängt, so aber werde ich hin und wieder an sie erinnert. Besonders schade finde ich den Verlust einer herrlichen Hosta ventricosa 'Aureomarginata', einer schon älteren Hosta-Sorte aus dem Jahr 1986 mit panaschiertem Laub, das im Frühling gelbe, im Sommer dann weiße Ränder hat und die dunkelviolett blüht. Sie war bei meiner ersten Hostabestellung im Frühling 2002 mit dabei und sie entwickelte sich in meinem Frühlingsschattenbeet, dessen Boden ich laufend verbesserte, prächtig.

So prächtig, dass ich vor drei Jahren beschloss, sie würde nun zu groß für dort und sie unter den Nussbaum verpflanzte. Das erschien mir wenig risikoreich, dort wuchsen schon viele andere - auch heikle - Stauden und ich goss sie und behandelte sie so, wie alle hundert umgepflanzten Hostas vor ihr - mit dem einzigen Unterschied, dass sie nie mehr erschien. An ihrer alten Stelle wachsen nun etliche andere Stauden und sie wäre wirklich zu groß geworden dort - aber es ärgert mich trotzdem immer noch.

Gillenia trifoliata, die Dreiblattspiere, an ihrem ersten Platz unter einem Apfelbaum. Diese Staude mag humosen, nicht zu feuchten Boden im lichten Halbschatten von Bäumen. Aber sie kommt auf mit Freiflächen klar; eine Information, die ich besser nicht bekommen hätte.

Ein weiteres Opfer meiner Umgestaltungen ist Gillenia trifoliata. Diese im Übrigen sehr empfehlenswerte und überlicherweise kaum umzubringende Staude (ich weiß, das klingt in diesem Beitrag jetzt nicht so überzeugend) blüht mit feinsten kleinen weißen Blüten, was sie zu einer schönen Staude für den Halbschatten macht. Zusätzlich dazu färbt sie im Herbst ihre Blätter und das tut sie, Literatur und meinen eigenen Augen, die sie in einem anderen Garten sahen gemäß in der Sonne viel besser als im Halbschatten, wo sie bei mir stand. Im Zuge einer Umpflanzaktion übersiedelte ich mein Exemplar aus dem Halbschatten, wo es eigentlich eh ganz gut gedieh in die Sonne, wo sie seitdem über das Stadium einer verhungerten 9cm-Topfpflanze nicht hinauskommt. Blöd gelaufen, jetzt habe ich weder Blüten noch Herbstfärbung.

Auf Freiflächen färbt sie angeblich verlässlicher. Der auf den Bildern zu sehende Herbsteffekt im Oktober 2008 bewog mich dazu, die Pflanze umzusiedeln (sie hatte bis dato in fünf Jahren nur einmal so eine schöne Färbung).

Ähnliches passierte mit dem größten Exemplar Calamagrostis brachytricha des Gartens, einigen Geraniums, die an bessere Standort verpflanzt wurden, einer wunderschönen Wiesenraute und einigen kleineren Stauden, die an ihren "besseren" Standorten von Nachbarpflanzen, die von den tollen Bedingungen ebenfalls profitierten, gnadenlos verschluckt wurden.
Natürlich darf man sich über solche Fehlschläge nicht ärgern, sondern man muss sich die Fehler merken, um beim nächsten Mal vielleicht zweimal zu überlegen, ob eine Pflanze nun wirklich umgesetzt werden muss oder auch, ob in ein volles Beet unbedingt noch eine weitere Staude reinmuss oder ob es nicht vielleicht doch schon passt.


Zwischen diesen zwei Bildern liegen vier Jahre, beide wurden Anfang August aufgenommen. Grund für die massive Veränderung ist eine Korkenzieherweide, die dem Beet die Sonne nimmt.
Schade sind solche Entwicklungen besonders bei Beeten, die sehr gut gelungen waren. Eines meiner schönsten Sommerstaudenbeete - und ein Grund dafür, dass ich in der Wiese gegenüber drei große Beete angelegt habe - war die Pflanzung, die ihr auf der Gegenüberstellung oben seht. In den ersten beiden Jahren war das Beet eine Pracht; dann wurde der Schatten einer Korkenzieherweide zu groß und nur mehr wenige Stauden gediehen noch ähnlich. Dazu gehören Hosta, Knöterich, Phlox, Geranium und ein Gras. Alle anderen Stauden sind verkümmert, eingegangen oder ich habe sie gerettet, bevor es soweit gekommen wäre. Im kommenden Jahr möchte ich das Beet renovieren und dazu die Weide radikal stutzen und auch im Sommer auslichten.


Zwischen dem ersten und dem letzten Bild liegen 8 Jahre - eine Zeit, die viele Pflanzen aus diesem Beet verschwinden ließ, so etwa die Paonien, Actaea 'Brunette', Sedum, Calamagrostis acutiflora 'Karl Foerster' (im mittleren Bild von 2004 gut zu sehen) und einige andere. Dafür hat sich der Knöterich verzehnfacht ;-).

Manchmal sind aber auch einfach nur die Pflanzen selbst schuld. In diesem Beet haben sich alle Stauden so sehr vergrößert, dass einfach kein Platz mehr für alle ist. Das ist schade, besonders im Fall der Paeonien, aber ich bringe es nicht über mich, den großen weißen Knöterich zu teilen. Man sieht hier eine Gegenüberstellung von drei Bildern, die, leider nicht mit dem selben Ausschnitt, das gleiche Beet zeigen und zwar 2003, 2004 und 2011. Konstanten sind Aconogonon 'Johanniswolke', Rosa glauca, Geranium 'Blue Cloud' und Hydrangea 'Annebelle', die ich letzten Herbst gerodet habe, um etwas mehr Platz zu schaffen. 

Hier sieht man auch gut, dass in älteren Beeten oftmals die Struktur verlorengeht, so war das Sedum in der ersten Reihe ein guter Ruhepol, wohingegen aktuell nur sehr große ('Johanniswolke') und sehr kleine (Geraniums) Strukturen vorherrschen. Ich werde mir für diesen Beetabschnitt definitiv etwas überlegen müssen!

Aber was wäre ein Winter, wenn er nicht neue Ideen für den Garten hervorbrächte ;-).

12 Kommentare:

  1. Mit den Fehlern, die ich alle gemacht habe, könnte man ein ganzes Buch füllen...so war mir als Gartenanfängerin nicht wirklich bewußt, dass es trockenen und feuchten Schatten gibt...in einem sonnigen Beet auch sonnenliebende Pflanzen schlapp machen können, wenn das Wasser fehlt...etc. Zum Glück lernt man aus seinen Fehlern...meistens zumindest...LG Lotta.

    AntwortenLöschen
  2. Du sprichst mir wieder so aus der Seele! Und beruhigst mich gleichzeitig, dass es auch Dir immer wieder passiert - dabei bist Du ja nun wirklich mal ne fortgeschrittene Gärtnerin. Ich habe mir für dieses Jahr vorgenommen, vielleicht einfach genau die Hälfte von den Umsetzungen vorzunehmen, die ich eigentlich geplant hatte - zu lebendig sind noch die Erinnerungen an das Schiefgegangene vom letzten Jahr...
    Viele liebe Grüße, Dagmar

    AntwortenLöschen
  3. Als ich (ohne Ahnung) mit dem Gärtnern angefangen habe, hat mir mein Onkel einen guten Rat gegeben: "Mach einfach so, wie Du meinst... und wenn es nichts geworden ist, sagst Du einfach, es sei erfroren!!!!"
    Meine Güte, was habe ich nicht schon alles gepflanzt und was ist mir alles schon "erfroren"!!!
    Aber dann kann man auch wieder mal was anderes ausprobieren - ist doch auch nicht schlecht!
    viele Grüße
    von Margit

    AntwortenLöschen
  4. Danke Katrin, das ist wieder ein Beitrag, der mein schlechtes Gewissen, den verloren gegangenen Pflanzen und meinem Geldbeutel gegenüber, etwas mildert. Aber es ist einfach so, der Garten und die Gegebenheiten von Licht und Schatten verändern sich und manche Pflanze muss einfach dran glauben.
    Die Staudengärtner jedenfalls freut es doch, dass wir jährlich auf der Jagd nach neuen Schätzen für den Garten sind, oder?
    Liebe Grüße von Heike

    AntwortenLöschen
  5. Vielen Dank für diesen interessanten Post. Ich finde es toll hier zu lesen und lustigerweise habe ich gerade heute auch in den alten Bildern gestöbert, allerdings gärtnere ich ja erst seit gut 2 Jahren, daher sind noch nicht soo viele Verluste zu verbuchen!

    Viele liebe Grüße
    Steffi

    AntwortenLöschen
  6. Hallo Katrin,
    bin immer froh wenn ich höre, daß es anderen Gärtnern genauso geht. Einige meiner Stauden haben schon verschiedene Standorte gehabt und bei der Neuanlage war unser Garten viel sonniger als jetzt, was natürlich auch nicht folgenlos blieb. Vielleicht gibts darum den langen Winter, damit man Zeit zum planen hat!! :)
    LG dagmar

    AntwortenLöschen
  7. Hallo Katrin,

    ich scharre auch schon mit den Füßen und möchte am liebsten gleich mit der Umgestaltung beginnen. Ich schreibe mir immer übers Jahr auf, was ich verändern möchte und dann im Frühjahr wird umgepflanzt. Meist geht das auch gut. Manche Pflanze ist aber auch am alten Standort so geschwächt, dass sie erst mal für 1-2 Jahre in ein "Reha"beet kommt und dann an den neuen Standort. 'Johanniswolke' wollte ich auch mal umpflanzen. Nach dem Aufgraben kamen fast armstarke und nicht enden wollende
    Wwurzeln zu Tage, so daß ich gleich wieder zugemacht habe. Im letzten Jahr ist die herrliche Wolke dann durch Staunässe im Sommer zu grunde gegangen.
    Weiter noch viel Spaß bei den Umgestaltungsgedanken.
    LG, Jochen

    AntwortenLöschen
  8. Hallo Katrin,
    Diesen Herbst habe ich mein ältestes Beet auseinandergenommen und neu gestaltet. Ich sage nur zum Glück! So bleibt der Garten lebendig und es bleibt spannend selbst wenn alles gut/zu gut eingewachsen ist.

    Bis jetzt sind mir Stauden immer nur im ersten Jahr eingegangen, meist ein Haltungsfehler. überwuchert werden sie nicht - denn dafür habe ich extra ein Wucherbeet angelegt, wo sich meine Katzenminzen mit Gräsern und Wucherastern sich gegenseitig be- und überwuchern können.

    Liebe Grüsse Rosana

    AntwortenLöschen
  9. Mit einem Schmunzeln im Gesicht, habe ich Wort für Wort deinen langen Beitrag gelesen. Habe ich mein Handeln doch hier und wiedererkannt ;-). Mittlerweile lege ich meinen 7. Garten an (habe leider den gartenuntauglichen Nomadenvirus), man könnte meinen, so langsam flutscht das aus dem FF, kannste vergessen. Jedesmal steh ich da wie der Ochs vorm neuen Tor. Schon beim Pflanzen weiß ich (theoretisch) das wird viel zu eng, aber man muss ja alles haben und glaubt, irgendwie wird es schon gehen.
    Nun habe ich auf deinen Bildern auch noch Pflanzen entdeckt, die spontan auf meine Muss-Haben-Liste rutschten. Wie gemein ist dass denn?

    Liebe Grüße!!!

    AntwortenLöschen
  10. "Verschlimmbesserungen" - was für ein wunderbares Wort. Ich glaube jeder hat schon diese Erfahrungen gemacht und es tut mir auch immer ein wenig weh, wenn ich einen meiner Schätze im Garten aufgeben muß.
    Schön geschrieben und das kommt mir so bekannt vor. Bei meinem Umzug habe ich es peinlicherweise geschafft eine Minze umzubringen. Ich dachte mir, die ist so robust, die schafft das eh....

    AntwortenLöschen
  11. Es tut wirklich gut zu hören, dass ich ihr auch schon einiges im Garten verloren habt... es ist zwar ganz natürlich, dass solche Dinge passieren, aber mir tut es dann doch immer leid oder ich habe schlechtes Gewissen, wenn ich selber dran schuld bin (falscher Platz, nicht gegossen, oder, noch schlimmer!, im Topf vergessen *schäm*).

    Bei mir hat es auch schon die robustesten Pflanzen erwischt, dafür wachsen manche woanders sehr heiklen Pflanzen bei mir sehr gut; man hat einfach mit manchen Glück und mit anderen nicht.

    "Verschlimmbessern" steht übrigens im sogar im Duden, es ist mir in einem Gartenforum zu einem ähnlichen Thema wie das des Beitrags mal begegnet und ich habe es mir gemerkt, aber ich dachte, es sei eine Wortneuschöpfung gewesen ;-).

    Ganz liebe Grüße an euch und danke für eure Kommentare (das sage ich viel zu selten, ich habe letzthin erst in den vielen alten Kommentaren gelesen), Katrin

    AntwortenLöschen
  12. Die Gartenentwicklung ist immer ein Prozess - kein Zustand, sonst wäre es ja auch langweilig. Manchmal bin ich zu kritisch, habe andere Bilder im Kopf und verpasse den perfekten Moment im Beet... Wie Du es beschreibst ist es der
    Wunsch nach perfekten Zusammenhängen, die es zu erreichen gilt. LG rheingruen

    AntwortenLöschen